Muttertag & Gendermarketing

Newsletterinput #2 vom 07. Mai 2020
 
Am kommenden Sonntag, den 10. Mai ist Muttertag. Ein Tag, um Mütter und das „Muttersein“ zu ehren – ein Tag, um patriarchale Rollenbilder zu verfestigen und Profit daraus zu schlagen. Alle Jahre wieder.
Am 8. März, dem internationalen Frauen*kampftag, gehen Frauen* und Mütter auf die Straßen, um für Gleichberechtigung und Freiheit von Frauen* und Queers zu demonstrieren. Sie setzen sich für Unabhängigkeit und Selbstbestimmung ein und kämpfen auf politischer Ebene für all die Themen, die ansonsten in den privaten Raum der Familie verdrängt werden. Am Muttertag hingegen, der gesellschaftlich weitaus populärer ist, wird vieles, wogegen am 8. März protestiert wurde, verherrlicht und gefeiert.
Von Kindern und Vätern wird erwartet, der Mutter etwas zu schenken, Zeit mit ihr zu verbringen – oder in Corona-Sprache ausgedrückt: die Mutter als systemrelevante Person zu beachten und wertzuschätzen.
Doch was bringt das der Mutter? Wird dadurch die unbezahlte Arbeit, die sie an diesem und jedem anderen Tag im Jahr verrichtet leichter oder gar weniger? Wird ihr dadurch mehr Unterstützung bei der Bewältigung all ihrer „mütterlichen Pflichten“, wie emotionale und pflegende Care-Arbeit oder Haushaltsführung zuteil? Erhält sie dadurch mehr Zeit für ihre eigenen Bedürfnisse, weil die Betreuung der Kinder solidarisch mit anderen Personen geteilt wird? Wohl kaum!
Einen Tag lang jubeln ihr alle zu, doch danach läuft sie in ihrem Hamsterrad des „Mutterseins“ weiter wie gehabt.
Warum machen wir Frauen* und Mütter aus diesem Tag nicht einen genauso politischen Tag wie aus dem 8. März? Lasst uns darüber reflektieren, was es bedeutet, in einer Gesellschaft zu leben, in der „Muttersein“ immer noch elementarer Bestandteil von „Frau*sein“ ist. Wir müssen uns dafür einsetzen, dass es auch möglich ist, offen zu sagen, dass ein erfülltes Leben auch kinderlos sein kann. Dass wir eigene Ziele haben können, die wir nicht aufgeben wollen, und die nicht das Gebären und Betreuen von Kindern beinhalten. Dass wir nicht eine an den Nationalsozialismus erinnernde Verehrungskultur der Mutter reproduzieren wollen, in der Frauen, die „gute Mütter“ waren (also viele „arische“ Kinder hatten und sie im nationalsozialistischen Gedankengut erzogen), mit Mutterkreuzen belohnt wurden.
Und warum diskutieren wir nicht auch mal darüber, warum am Vatertag immer noch das Ideal einer toxischen Männlichkeit im wahrsten Sinne des Wortes begossen wird? Eine „Männlichkeit“, die sich darüber auszeichnet, rücksichtslos, egoistisch, hetero und verantwortungslos gegenüber Familie oder Partnerin zu sein. Diese „Männlichkeit“ wird meist im Zuge einer exzessiven und exklusiv männlichen Sauftour gefeiert. Währenddessen müssen Frauen* und Mütter den Muttertag für Mann und Kinder reservieren, anstatt „ihren“ Tag ebenfalls mit ihren Freundinnen und ohne familiäre Verpflichtungen zu verbringen.
Unser Anliegen muss sein, gemeinsam Wege zu finden, wie Familienarbeit solidarisch auf alle Elternteile oder Bezugspersonen aufgeteilt werden kann. Wir müssen Raum dafür schaffen, uns Ängste und Fehler einzugestehen, was unsere (zukünftige) Elternrolle angeht. Und wir müssen einen bedürfnisorientierten Umgang damit finden, sodass Eltern, Kinder und alle Menschen, die keine Kinder bekommen wollen ein gutes Leben ohne Zwang und Selbstaufgabe führen können.
Darüber hinaus ist der Muttertag ein Paradebeispiel für das gängige „Gendermarketing“. Viele Kaufhaus-Ketten oder Unternehmen bewerben den Muttertag und alles, was dafür unbedingt gekauft werden muss, indem sie stereotype Bilder von Müttern oder Vätern im Vergleich zeichnen.
Es werden wohl selten so viele Blumen an Mütter geschenkt, um ihre liebevolle Sorge und Sanftheit zu betonen, oder die neusten Grill-Innovationen und „Kochbücher für Männer“ angepriesen, sodass „Mama“ sich mal einen Tag entspannen kann, während „Papa“ für das leibliche Wohl sorgt. Diese Praxis reduziert Menschen nur auf ihr Geschlecht und besonders auf die geschlechtsspezifischen Zuschreibungen der klassischen Rollenbilder.
Auf diese Art und Weise können beispielsweise auch die gleichen Produkte mit geringen Modifikationen gleich doppelt verkauft werden, einmal in Blau und einmal in Pink – meist kostet das pinke Exemplar auch noch ein klein wenig mehr. Dahinter steckt die kapitalistische Logik, Bedürfnisse künstlich zu erzeugen, indem sich einer patriarchalen Ideologie bedient wird. Das zeigt einmal mehr auf, dass es im Kapitalismus keine Chance für Emanzipation, ein solidarisches und reflektiertes Miteinander und die Überwindung des binären, heteronormativen Geschlechtersystems geben kann, wenn gleichzeitig mehr und mehr Profit erzielt werden muss.
In diesem Sinne gilt es, beide Systeme – sowohl das Patriarchat als auch den Kapitalismus – miteinander in Verbindung zu bringen und zu überwinden, damit alle Menschen als selbstbestimmte und freie Individuen in unserer Gesellschaft leben können.
Auf diese Art und Weise können beispielsweise auch die gleichen Produkte mit geringen Modifikationen gleich doppelt verkauft werden, einmal in Blau und einmal in Pink – meist kostet das pinke Exemplar auch noch ein klein wenig mehr. Dahinter steckt die kapitalistische Logik, Bedürfnisse künstlich zu erzeugen, indem sich einer patriarchalen Ideologie bedient wird. Das zeigt einmal mehr auf, dass es im Kapitalismus keine Chance für Emanzipation, ein solidarisches und reflektiertes Miteinander und die Überwindung des binären, heteronormativen Geschlechtersystems geben kann, wenn gleichzeitig mehr und mehr Profit erzielt werden muss.
In diesem Sinne gilt es, beide Systeme – sowohl das Patriarchat als auch den Kapitalismus – miteinander in Verbindung zu bringen und zu überwinden, damit alle Menschen als selbstbestimmte und freie Individuen in unserer Gesellschaft leben können.
 
weitere Infos: