Vatertag oder Männertag?

Newsletterinput #12 vom 01. Mai 2021
 
Ich werde heute meine Wohnung nicht verlassen. Warum? 
Der sogenannte Vatertag steht an – auch bekannt als “Männer*tag”. 
 
Gruppen von grölenden Männern* die mit bierbepackten Bollerwägen durch die Straßen ziehen und sich feiern (ja – auch zu Corona Zeiten) ist Grund genug für mich zu Hause zu bleiben. 
 
Aber was wird hier eigentlich gefeiert? Ein Männlichkeitsbild, dass sich durch übermäßigen Alkoholkonsum, diskriminierendes Sprücheklopfen und breitbeinig dominantes Lautsein auszeichnet? Legitimiert durch eine Feiertagsbezeichnung. 
Dieses gesellschaftlich anerkannte und im öffentlichen Raum gestützte und geschützte Männlichkeitsbild führt zu einem großen Sicherheitsgefühl auf der einen und einem großen Unsicherheitsgefühl auf der anderen Seite. Egal ob z.B. als Frau* oder als weiblich gelesene Person, wird man sich auf der zweiten Seite wiederfinden.
 
Würde ich heute das Haus verlassen, würde sich diese Unsicherheit sicher in meinem Gang und meiner Körperhaltung widerspiegeln. Mit gesenktem Kopf und eingezogenen Schultern wäre ich auf der Hut vor Pöbeleien, sexistischen Sprüchen oder vielleicht sogar körperlichen Belästigungen oder Übergriffen. 
Ob ich es möchte oder nicht, egal wie schlagfertig ich bin oder wie viele Selbstverteidigungs-kurse ich schon besucht habe – die Anspannung wird allgegenwärtig sein. An einem Tag wie heute, wo das Sicherheitsgefühl im öffentlichen Raum nochmal extremer auf die eine Seite kippt, passiert sowas noch häufiger. Immer unter der Schutzdecke eines: “Wenigstens einmal darf ja wohl richtig auf den Putz gehauen werden“.
 
Vielleicht sollten wir den heutigen Tag anstatt toxische Verhaltensmuster müde wegzulächeln lieber dafür nutzen, darüber nachzudenken, wie diese sogenannte “Männlichkeit” (wenn wir schon Schubladen-Wörter brauchen) noch aussehen kann, bzw. wie wir gender-gebundene Rollenmuster auflösen könnten (und ganz ehrlich mal, wem haben DIE je geholfen?).
 
Wo z.B. werden Männer* bzw. Väter abgebildet, die heute weinend zu Hause sitzen? Weil sie traurig sind, überwältigt, überfordert vielleicht – um nur mal eine kleine Auswahl des Spektrums, dass wir Emotionalität nennen, vorzuschlagen. 
Wo trans Männer*/-väter? Oder Personen, die sich nicht als männlich/als Vater identifizieren, aber von der Gesellschaft so gesehen werden? Was ist mit queeren Männern*/Vätern? Oder Männern*/Vätern, die keinen Alkohol trinken – z.B. weil sie muslimisch sind; suchtkrank; oder verdammt nochmal einfach keinen Bock haben, Alkohol zu trinken!
 
Die gängigere Bezeichnung “Vatertag” ist auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung, denn er macht sichtbar, dass auch Männer* Sorgearbeit leisten. Oft werden sie dafür entweder belächelt oder in den höchsten Tönen gelobt  – beides ist problematisch.