Rest in Power! – Transgender Day of Remembrance

Newsletterinput #20 vom 01. Dezember
 
[TRIGGERWARNUNG] 
Transphobie, sexualisierte Gewalt
 
Am 20. November war Transgender Day of Remembrance (TDoR): der Gedenktag für die Opfer von Transphobie. An diesem Tag im Jahr 1998 wurde die schwarze Trans*frau Rita Hester in ihrer Wohnung ermordet. Seitdem gedenken an diesem Tag jedes Jahr Trans*menschen und Verbündete der Opfer von transfeindlichen Gewaltakten. 
Trans*menschen weltweit erfahren vielfältige Formen der Diskriminierung, die sich nicht immer in der Form von körperlicher Gewalt zeigen. Rechtliche Benachteiligung, Pathologisierung, erschwerter Zugang zu lebensnotwendigen Schutzräumen, sind für Trans*menschen auch in Deutschland noch an der Tagesordnung. Doch an TDoR soll es spezifisch um unsere transidenten Schwestern, Brüder und nichtbinäre Geschwister gehen, die transfeindlicher Gewalt zu Opfer gefallen sind. Im Jahr 2021 sind es bis jetzt 375 Trans*menschen, die weltweit ermordet worden sind. (Zahlen von TMM – Trans Murder Monitoring)
 
Transphobe Gewalt hat viele Ursachen, doch einige wiederkehrende Muster lassen sich erkennen. 
Morde an transmaskulinen Menschen (Trans*männer und andere Menschen, die in Richtung Männlichkeit transitionieren) geschehen oft aus dem Kontext heraus, dass sie in einer Männergruppe als „nicht echter Mann“ enthüllt werden. So war zum Beispiel der Fall von Valera, ein 46-jähriger Trans*mann, der letztes Jahr in Russland von seinen langjährigen Freunden zu Tode verprügelt und vergewaltigt wurde, nachdem sie herausfanden, dass er ihnen dreißig Jahre lang nicht seine Transidentität verraten hatte.
 
Morde an transfemininen Menschen (Trans*frauen und andere Menschen, die in Richtung Weiblichkeit transitionieren) hingegen geschehen oft, wenn ein Mann sich von ihnen angezogen fühlt und sich deswegen in seiner eigenen Männlichkeit bedroht sieht. So erging es Selena Reyes-Hernandez, einer 37-jährige Trans*frau aus Chicago, die letztes Jahr einen jungen Mann mit nach Hause nahm und daraufhin von ihm erschossen wurde, als er von ihrer Transidentität erfuhr. Die Begründung, eine Trans*frau ermordet zu haben, aus Angst, von ihr „schwul gemacht“ worden zu sein, ist vor Gericht so weit verbreitet, dass sie in den USA einen eigenen Namen bekommen hat: Gay Panic defense.
 
Hinter all diesen Taten verbirgt sich toxische Männlichkeit: eine Männlichkeit, die sich von Unsicherheiten nährt, sich durch extreme Gewalt ausdrückt und keine Normabweichungen toleriert.
 
Auch beim Betrachten der Zahlen lassen sich größere Trends erkennen. 
Bei den Opfern handelt es sich zu 96% um transfeminine Menschen, zu 58% um Sexarbeiter*innen, und zu einem großen Teil um PoCs und Migrant*innen. 
Diese Morde sind also nicht ausschließlich eine Folge von Transfeindlichkeit. Sie befinden sich an der Schnittstelle verschiedener Unterdrückungen: Transphobie, Frauenfeindlichkeit, Rassismus, Fremdenhass, und Feindseligkeit gegenüber Sexarbeiter*innen. 
 
Deswegen muss unsere Analyse der Unterdrückungssysteme, die zum gewaltsamen Tod dieser Menschen geführt haben, an all diesen Schnittstellen ansetzen. Ein Feminismus, der sich nur mit den Unterschieden zwischen Männern und Frauen befasst, ist nicht in der Lage, die Komplexität der Unterdrückungsstrukturen im Patriarchat einzufangen. Unser Feminismus muss intersektional sein, um die Vielschichtigkeit ineinandergreifender Identitäten mit zu begreifen. 
 
Für einen trans*inklusiven Feminismus!