Redebeitrag zur Kundgebung anlässlich der Hinrichtungen im Iran am 07. Januar 2023

Liebe Freund*innen,
ich spreche heute für die Feministische Vernetzung Trier.
Seit fast 4 Monaten rebellieren die Menschen im Iran gegen das Mullah-Regime. Seit fast 4 Monaten sehen wir eine feministische Revolution! Eine Revolution, die für Menschenrechte, Freiheit und Gleichberechtigung kämpft und die grausamer Reaktion ausgesetzt ist. Ermordung von Demonstrant*innen, systematische Vergewaltigungen von inhaftierten Menschen und Hinrichtungen sind die Verbrechen der Terrorherrschaft und werden vom Mullah-Regime täglich angedroht und verübt. Wir müssen die Toten betrauern, aber wir müssen die Aufmerksamkeit auf die Lebenden richten – unsere Aufmerksamkeit und Öffentlichkeitsarbeit kann ihre Leben schützen!


Ich fühle mit allen Menschen, allen Frauen und Queers, die verfolgt, vergewaltigt und getötet werden – auch wenn ich als weisse Frau in Deutschland sicherlich nicht mal ansatzweise diese Angst nachempfinden kann, die Frauen haben müssen, wenn sie ihre Haare oder ihren Körper zeigen, die queere Menschen haben müssen, wenn sie zu ihrer Liebe und ihrer Identität stehen und die alle Menschen im Iran haben müssen, wenn sie für ihre Rechte und Freiheit demonstrieren. Trotzdem fühle ich mich ihnen verbunden, genauso wie denjenigen, die seit langer Zeit nichts mehr von Verwandten und Freund*innen gehört haben und mit dieser Ungewissheit leben müssen.
Aber ich fühle nicht nur Trauer, Schmerz und Ohnmacht. Ich fühle auch großen Respekt und Bewunderung für alle, die sich dem rassistischen und patriarchalen Terrorregime der Mullahs im Iran, der Taliban in Afghanistan oder dem Erdogan-Regime in Kurdistan entgegenstellen. Die um ihr Leben, ihre Freiheit und ihre Rechte kämpfen. Und die viel schneller reagieren und sich solidarisch mit anderen emanzipatorischen Kämpfen zeigen als westliche Feminist*innen. Denn als die feministische Revolution im Iran begann, waren es afghanische Frauen, die sich als Erste an die Seite der Demonstrant*innen gestellt haben. Es waren diejenigen, die selbst mit massiver und willkürlicher Gewalt konfrontiert sind. Sie haben verstanden, was es heißt, das Leid zu teilen und nur gemeinsam die Stärke zu erlangen, die es braucht, um dem männlichen Terror ein Ende zu bereiten.

Wir können und müssen von ihnen lernen. Auch wenn die Verhältnisse in Deutschland bei weitem nicht frei von patriarchaler Gewalt sind, so sind wir doch in der Regel zu sehr auf uns fokussiert, um uns um all jene zu bemühen, die weitaus weniger privilegiert sind und daher dringend unsere Aufmerksamkeit und unsere Stimmen in der Öffentlichkeit brauchen. Wir können Feminismus und den Kampf um Freiheit und Gerechtigkeit nicht nur bis an Landesgrenzen denken. Das Patriarchat mit all seinen Grausamkeiten ist das weltweit mächtigste System und kann nur mit internationaler Solidarität im gemeinsamen Kampf überwunden werden!
Wir müssen zusammenhalten, einander trösten und mit allen Mitteln unsere Unterstützung signalisieren, damit die mutigen Menschen im Iran ihre Hoffnung, ihre Kraft und ihr Leben behalten!


Da Regierungen an kapitalistischer Außen- und Wirtschaftspolitik leiden und von ihnen kaum zu erwarten ist, dass sie den nötigen Schutz für Geflüchtete bieten und die nötigen klaren Worte und Taten der Verurteilung gegenüber den Terrorregimen finden, stelle ich heute vor allem Forderungen an alle Feminist*innen und diejenigen, die für Gleichberechtigung und Freiheit stehen:
Steht Seite an Seite mit den emanzipatorischen Kämpfen weltweit!
Seid die Stimmen der Kämpfenden in den Teilen der Erde, die vor dem Kampf die Augen verschließen und sich auf vermeintlichem Wohlstand und vorgetäuschter Gleichberechtigung ausruhen!
Hört den Betroffenen zu, bietet ihnen eure Unterstützung an – sei es ein offenes Ohr, die geteilte Wut und Trauer oder eine Unterkunft!
Teilt eure Erfahrungen miteinander, brecht das Schweigen!
Lasst die Verbundenheit aufgrund dieser geteilten Unterdrückungserfahrungen zu und zieht zusammen Kraft aus dem Wissen, dass wir nicht alleine leiden und gemeinsam die eiserne Faust des Patriarchats aufstemmen können – jede Generation ein bisschen weiter!

Zan Zendegi Azadi