Redebeitrag zur Gedenkkundgebung für die Opfer der Anschläge und des Völkermords an den Hazara in Afghanistan am 12. November 2022

Liebe Freund*innen,
ich spreche heute für die Feministische Vernetzung Trier.

Wieder einmal müssen wir Tote betrauern. Wieder einmal müssen wir unschuldigen Opfern von islamistischem Terror und rassistischer Verfolgung gedenken. Und wieder einmal müssen wir Femizide und patriarchale Gewalt beklagen.

Ich bin es so leid, diese Nachrichten zu lesen und zu teilen. Ich bin es leid, die Ohnmacht vieler Betroffenen mitzuerleben. Und es ist mir unerträglich, all das auf sich beruhen zu lassen.
Ich fühle mit allen Menschen, allen Frauen und Queers, die verfolgt und getötet werden – auch wenn ich sicherlich nicht mal ansatzweise diese Angst nachempfinden kann, die Mädchen haben müssen, wenn sie zur Schule gehen, die Frauen haben müssen, wenn sie ihre Haare oder ihren Körper zeigen, die queere Menschen haben müssen, wenn sie zu ihrer Liebe und ihrer Identität stehen. Trotzdem fühle ich mich ihnen verbunden, genauso wie denjenigen, die seit langer Zeit nichts mehr von Verwandten und Freund*innen gehört haben und mit dieser Ungewissheit leben müssen.

Aber ich fühle nicht nur Trauer, Schmerz und Ohnmacht. Ich fühle auch großen Respekt und Bewunderung für alle, die sich dem rassistischen und patriarchalen Terrorregime der Taliban in Afghanistan, der Mullahs im Iran oder dem Erdogan-Regime in Kurdistan entgegenstellen. Die um ihr Leben, ihre Freiheit und ihre Rechte kämpfen. Und die viel schneller reagieren und sich solidarisch mit anderen emanzipatorischen Kämpfen zeigen als westliche Feminist*innen. Zuletzt als die feministische Revolution im Iran begann: Es waren afghanische Frauen, die sich als Erste an die Seite der Iraner*innen gestellt haben. Es waren diejenigen, die selbst mit massiver und willkürlicher Gewalt konfrontiert sind. Sie haben verstanden, was es heißt, das Leid zu teilen und nur gemeinsam die Stärke zu erlangen, die es braucht, um dem männlichen Terror ein Ende zu bereiten.

Wir können und müssen von ihnen lernen. Auch wenn die Verhältnisse in Deutschland bei weitem nicht frei von patriarchaler Gewalt sind, so sind wir doch in der Regel zu bequem, um uns um all jene zu bemühen, die weitaus weniger privilegiert sind und daher dringend unsere Aufmerksamkeit und unsere Stimmen in der Öffentlichkeit brauchen. Wir können Feminismus und den Kampf um Freiheit und Gerechtigkeit nicht nur bis an Landesgrenzen denken. Das Patriarchat mit all seinen Grausamkeiten ist das weltweit mächtigste System und kann nur mit internationaler Solidarität im gemeinsamen Kampf überwunden werden!

Da Regierungen an kapitalistischer Außen- und Wirtschaftspolitik leiden und von ihnen kaum zu erwarten ist, dass sie den nötigen Schutz für Geflüchtete bieten und die nötigen klaren Worte und Taten der Verurteilung gegenüber den Terrorregimen finden, stelle ich heute vor allem Forderungen an alle Feminist*innen und diejenigen, die für Gleichberechtigung und Freiheit stehen:

Steht Seite an Seite mit den emanzipatorischen Kämpfen weltweit!
Seid die Stimmen der Kämpfenden in den Teilen der Erde, die vor dem Kampf die Augen verschließen und sich auf vermeintlichem Wohlstand und vorgetäuschter Gleichberechtigung ausruhen!
Hört den Betroffenen zu, bietet ihnen eure Unterstützung an – sei es ein offenes Ohr, die geteilte Wut und Trauer oder eine Unterkunft!
Teilt eure Erfahrungen miteinander, brecht das Schweigen!
Lasst die Verbundenheit aufgrund dieser geteilten Unterdrückungserfahrungen zu und zieht zusammen Kraft aus dem Wissen, dass wir nicht alleine leiden und gemeinsam die eiserne Faust des Patriarchats aufstemmen können – jede Generation ein bisschen weiter!


#StopHazaraGenocide
#ZanZendegiAzadi