Interview mit „Gemeinsam Kämpfen – Feministische Organisierung für Selbstbestimmung und Demokratische Autonomie“/Women Defend Rojava

Newsletterinput #32 vom 30. November 2022

mehr Infos: https://gemeinsam-kaempfen.de/?page_id=31 und https://womendefendrojava.net/de/uber-uns/

Was sind für euch die wichtigsten Gründe für feministischen Aktivismus in euren jeweiligen Kämpfen und Bewegungen?
Gemeinsam Kämpfen/Women Defend Rojava: Wir sehen das Patriarchat als die Wurzel aller Herrschaft und Unterdrückung, die mit der Unterdrückung der Frau und der Natur vor circa 5.000 Jahren begonnen hat. Im Beginn des Patriarchats sehen wir auch den Anfang des binären Geschlechtersystems, das nicht-binäre Geschlechter unterdrückt und versucht zu vernichten. Grundlage aller Kämpfe ist somit immer auch der Kampf gegen das Patriarchat. Das kapitalistische Patriarchat ist ein globales System, gegen das in allen Regionen der Welt von unterschiedlichsten Frauen und anderen unterdrückten Geschlechtern Widerstand geleistet wird. Wir begreifen uns als einen Teil dieses globalen Kampfes und wollen darin eine eigene Rolle finden. Als Gemeinsam Kämpfen haben wir uns deswegen zum Ziel gesetzt uns am Aufbau des Weltfrauenkonföderalismus zu beteiligen. Grundlegender Teil der Veränderung, für die wir kämpfen, sind die Errungenschaften vorangegangener Kämpfe, hier und in anderen Teilen der Welt, vor allem der Revolution in Kurdistan. Deshalb beteiligen wir uns aktiv an der Verteidigung der Revolution, unter anderem innerhalb der Kampagne „Women Defend Rojava“.

Welche Erfolge/Meilensteine/positiven Veränderungen habt ihr im Laufe eures Aktivismus miterlebt und erwirkt?
GK/WDR: Wir konnten in den letzten Jahren erleben, welch große Auswirkungen organisiert zu sein auf unser eigenes Leben hat und wie genau das die Grundlage ist, gemeinsam ein anderes, gutes Leben aufzubauen. Daher nennt sich „Gemeinsam Kämpfen“ was am 25. November 2017 als „feministische Kampagne für Selbstbestimmung und Demokratische Autonomie“ gestartet ist heute auch Organisierung und nicht mehr Kampagne. Wir konnten dadurch eines unserer Ziele erreichen, nämlich uns selbst in eine organisierte Situation zu versetzen. Gleichzeitig konnten wir genau dadurch auch eine größere Stärke entwickeln die Revolution an allen Orten der Welt und im Speziellen in Kurdistan im Rahmen der Kampagne Women Defend Rojava zu verteidigen. Wir durften zudem die Entwicklungen der Frauenrevolution in Rojava, die Weiterführung der Wissenschaft der Frau und des Lebens (Jineoloji) und den Aufbau des Frauendorfs Jinwar miterleben und selbst mitgestalten. Wir konnten erleben, wie der Kampf für Freiheit von tausenden von Frauen und weiterer unterdrückter Geschlechter zur Hoffnung für weitere Tausende wurde, die Kämpfe jeden Tag größer werden und wie sich diese immer weiter miteinander verbinden.

Wie seht ihr das Zusammenspiel von Theorie und Praxis? Wie wichtig ist Theorie für euren Aktivismus und gibt es bestimmte Schriften/Autor.innen, die für euch wegweisend waren?
GK/WDR: Wir beziehen uns eng auf die Werte und Prinzipien der Kurdischen Freiheits- und vor allem Frauenbewegung, die unter der Vorreiterschaft von Abdullah Öcalan entstanden sind. Dementsprechend sind die Schriften und Theorien der Kurdischen Bewegung für uns wegweisend. Diese Theorie beinhaltet, dass jede Theorie ohne Praxis wirkungslos ist und sich jede Theorie in der Praxis beweisen muss. Die Theorie und die Praxis stehen immer im Verhältnis zueinander: Die Theorie entwickelt sich durch die Praxis und die Praxis durch die Anwendung der Theorie.Die Theorie beinhaltet zudem, dass jede Realität eine andere Praxis dieser Theorie braucht. Diese gilt es immer weiter zu entwickeln, d.h. es stellen sich uns nach wie vor zahlreiche Fragen zu unseren Wahrheiten, unserer Geschichte und unserer gesellschaftlichen Realität hier vor Ort. Konkret heißt es aber auch: Basisdemokratie, Autonomie und Selbstbestimmung sind für uns keine Utopien, sondern konkrete emanzipatorische Konzepte und Ziele, die wir innerhalb der Gesellschaft leben wollen.

Was wollt ihr der neuen Generation Feminist.innen mitgeben? 
GK/WDR: Autonom-feministische Organisierung als Frauen und Menschen anderer unterdrückter Geschlechter bedeutet für uns Selbstverteidigung. Zudem sehen wir sie als Grundlage des gemeinsamen Kampfes gegen das Patriarchat und für Selbstbestimmung und Demokratische Autonomie an. Unsere Überzeugung ist, dass sie die Garantie sein wird das Patriarchat zu überwinden. Daher bedeutet für uns emanzipatorische und revolutionäre Organisierung immer auch, sich autonom als Frauen, trans, inter und nichtbinäre Menschen zu organisieren. Wir sehen in ihr die Lösungskraft und Vorreiter:innenschaft für den Aufbruch der gesamten Gesellschaft. Eine der wichtigsten Grundlagen des Kampfes ist es sich in die Tradition vergangener Kämpfe und in Verbindung mit heutigen Kämpfen in allen Teilen der Welt zu stellen. Nur mit den Erfahrungen und der Kraft von uns allen zusammen, werden wir das Patriarchat überwinden können.