Die Prinzessin und der Bildungsauftrag

Newsletterinput #16 vom 02. August 2021
 
Zunächst war ich skeptisch. Eine Datingshow à la Bachelor aber in lesbisch? Klingt für mich nach dem holprigen Versuch eines großen Privatsenders diese sogenannte Deivörsiti (Diversität) ins Programm aufzunehmen – und nebenbei vielleicht noch das ein oder andere Bezahlabo zu fangen. Denn dass auch queere Menschen eine Zielgruppe sein können, aus der sich Profit schlagen lässt, sollten mittlerweile selbst RTL und Co. verstanden haben. 
 
Ich erwartete also die Inszenierung von klischeehaften TV-Figuren, Streits, Lästereinen; Zickenkrieg, also all das, was Produktionen gerne in die gelernten Schaugewohnheiten des Trash Publikums legen, vor allem wenn Frauen und weiblich gelesene Personen im Fokus stehen.
 
Doch im Gegensatz zum hetero Pendant, stellt die Redaktion bereits in der ersten Folge von “Princess Charming” ihren respektvollen Umgang mit den Lesben unter Beweis: Eine offenbar gewaltvolle Auseinandersetzung zwischen zwei Kandidatinnen wird nicht dargestellt, sondern lediglich durch einen kleinen Infotext vermittelt, der das sofortige Ausscheiden der beiden erklärt.
 
Und schon ab Folge 2 zieht vollkommene Harmonie mit den Kandidat:innen in die Villa auf Kreta ein. Es wird  gekuschelt, getanzt, gespielt und vor allem supportet, also sich gegenseitig unterstützt. Konkurrenzdenken und Lästereien sind nicht vorhanden und kommt es doch mal zu einem Konflikt wird darüber offen und respektvoll kommuniziert.
 
So entstehen wichtige Gespräche, deren Themen es mittlerweile sogar in den Mainstream geschafft haben. Kandidat:in Gea erklärt in einer Diskussion beispielsweise, warum Genitalpräferenz und Transfeindlichkeit durchaus zusammenhängen – denn nicht alle Frauen oder Lesben haben Vulven. 
  
Überhaupt scheint Aufklärungsarbeit das Gebot der Stunde zu sein. Offen und ganz ohne Obszönität wird über lesbisches Begehren gesprochen – mit Hilfe von in Zucker getauchten Vulva Cupcakes. “There’s no shame in the fucking vulva game” ist auch das Motto von Kandidatin Wiki, die bei ihrem freiwilligen Ausscheiden erklärt, dass sie ihren “Bildungsauftrag” nun erfüllt hätte.
 
Aber da ist noch Luft nach oben. Kandidat:in Gea – die einzige nicht-binäre und somit trans Person der Staffel – betont immer wieder, dass Szenen in der Gea über Nichtbinarität gesprochen hat, es nicht in den finalen Schnitt geschafft haben und somit nicht auf den Mainstream Servierteller. Trotzdem haben Kandidat:innen wie Gea oder Wiki eine große Plattform bekommen, um auch weiterhin über Themen rund um Feminismus und Queerness aufklären zu können. Diese wichtige Arbeit leisten Wiki und Gea nun aber vor allem hinter der Kamera auf den Instagram Kanälen @quintohumans (Gea) und @wikiriot (Wiki). Schaut mal rein!
 
Da wird auch schon ein Kritikpunkt aus der Community an der Show sichtbar. Denn bis auf wenige Ausnahmen sind die Lesben cis oder weiß, haben dünne Körper und entsprechen den gängigen Schönheitsidealen. Doch trotz der mangelnden Diversität, fällt dennoch eine gewisse Verschiedenheit der Teilnehmer:innen auf: hier treffen Butches (eine in Körpersprache und Kleidungsstil maskulin wirkende weibliche, nicht-heterosexuelle Person) und Femmes (sich feminin inszenierende lesbische oder queere Person, die vielfach im Alltag und auch innerhalb lesbischer, queerer Szenen, als heterosexuell verkannt wird), sowie introvertierte und extrovertierte, softe oder coole Charaktere aufeinander.
 
Aber das war ja erstmal nur der Anfang, denn sicher wurde bereits ein großer Schritt in die richtige Richtung getan und ein Türöffner für hoffentlich viele ähnliche, wenn auch mutigere Formate geschaffen.
 
Zum Schluss bleibt zu sagen: Genauso kuschelig wie sich die Kandidat:innen auf dem Bildschirm geben – so fühlt sich die Show auch an. Für die lesbische Community bedeutet die Show mehr Sichtbarkeit, Repräsentanz, Empowerment und gute Gesprächsthemen. Und für alle hetero Frauen ist sie eine Einladung, sich noch mehr mit der eigenen Sexualität auseinanderzusetzen und diese zu erforschen.
 
Zu schauen gibt’s die Show auf TVnow (am besten Premium Probeabo für einen Monat abschließen, dann sofort kündigen und ohne Werbung genießen wink wink)