Das Ding mit dem Humor

Newsletterinput #6 vom 27. Oktober 2020
 
Vielleicht ist es euch auch bereits im Alltag aufgefallen, vielleicht kennt ihr es von euch selbst oder eurem Umfeld. Es scheint weniger lustige Frauen* zu geben, als Männer*. Das ist besonders der Comedy Szene anzusehen, die eindeutig von männlich gelesenen Personen dominiert ist. Liegt wohl daran, dass Frauen* das Gen fürs Lustig sein fehlt. Nein, natürlich nicht! Es liegt daran, dass wir immer noch aus der Vergangenheit zehren, in der Frauen* jahrzehntelang kleingehalten wurden, um sie in ihrer Position gegenüber Männern* zu schwächen. In den 60ern stand beispielsweise in Benimmbüchern, dass Frauen* sich mit Witzen zurückzuhalten haben. Aber warum? 
 
Humor hat etwas mit Macht zu tun. Wenn ich einen Menschen zum Lachen bringe, habe ich für einen kurzen Moment Macht über diese Person. Sie gibt die Kontrolle ab, denn Lachen ist eine körperliche Reaktion, die wir nicht unterdrücken können. Auch ist Humor ein Indikator für Intelligenz, ist eine Person witzig, ist diese wahrscheinlich auch schlau. Besonders, wenn es um feinsinnigen Humor geht. Und schlaue Menschen haben einen gesellschaftlich höheren Status. 
Sieht man Humor als Ausdruck von Macht, untergräbt eine offensiv lustige Frau* den Mann* in seiner Rolle als „starkes Geschlecht“. Damit trifft sie den Mann* im Kern dessen, was ihm seit Generationen das Gefühl von Überlegenheit vermittelte.
 
Erfolgreiche deutsche Comedians/Comediennes und Satiriker*innen zeigen, dass im Bereich des Humors vor allem die alten, patriarchalen Strukturen funktionieren: Männliche Comedians spielen mit dem, „was Männer* ausmacht“ – mit ihrem Status. Denken wir dabei nur mal an Stromberg, der eigentlich ein unsicherer Neurotiker ist, aber sich als großer Macker aufspielt. Oder der derzeit sehr erfolgreiche Felix Lobrecht, der mit seinem Image als „Neuköllner Proll“ spielt. Weibliche Comediennes hingegen haben weniger Spielraum, sie können sich nicht die gleichen Witze erlauben und tendieren somit oft dazu, nur über „Frauen*-Themen“ zu sprechen. Frauen* werden viel eher auf ihr Aussehen reduziert und danach bewertet. Sehen sie gut genug aus, sind sie auch kommerziell erfolgreich. Doch auch hier gibt es glücklicherweise einen langsamen Wandel: Hazel Brugger ist derzeit eine der erfolgreichsten Comediennes in Deutschland, obwohl sie sich nicht den patriarchalen Strukturen angepasst hat. Meist ist es jedoch immer noch so, dass Fans von weiblichen Comediennes immer noch überwiegend weiblich sind, weil Männer* sich nicht trauen, sich auch von Frauen* unterhalten zu lassen und dies ganz offen zuzugeben.
 
Zu Ende gedacht ist die Konsequenz, dass Frauen* und Männer* erst dann auf derselben Ebene lustig sein können, wenn es eine gesamtgesellschaftliche Gleichberechtigung gibt. Wenn Frauen* keine Lust mehr haben, gejagt zu werden, sondern selbst die Flinte zücken. Wenn auch Cis-Männer gerne zu Frauen* aufschauen und Frauen* das ertragen können. Aber wer hat schon Lust, so lange zu warten?
Wir alle können in unserem persönlichen Umfeld etwas daran ändern. Lasst uns schon jetzt gleichberechtigt lustig sein! Traut euch witzig zu sein und entscheidet euch ganz bewusst dazu, in eine Männerdomäne einzudringen. Ermutigt auch andere FLINT-Personen (Frauen, Lesben, Inter, Nicht-Binäre und Transmenschen) in eurem Umfeld, dies zu tun und sich nicht mehr nur bespaßen zu lassen und mit den schlanken Beinen zu wippen, denn das gehört der Vergangenheit an.