„Autismus – Ein feministisches Thema“

Newsletterinput #24 vom 06. April 2022

In den letzten Jahren hat die Neurodiversitäts-Bewegung innerhalb von linken und progressiven Kreisen an Relevanz gewonnen. Neurodiversitäts-Aktivist:innen geht es darum, normabweichende Entwicklungsvarianten wie Autismus, ADHS oder Dyslexie neu zu betrachten. Sie sollen nicht mehr als Störung oder Behinderung beschrieben werden, sondern einfach als eine andere, gleichwertige Art, die Welt zu erleben.

Ein paar Begriffsklärungen:

Neurodiversität beschreibt den Zustand einer neurologisch vielfältigen Gesellschaft.

Neurodivergent beschreibt Menschen, deren Gehirn in irgendeiner Form von der Norm abweichen.

Neurotypisch ist das Gegenteil und beschreibt Menschen, die nicht neurodivergent sind.

Autismus ist eine von vielen Formen von Neurodivergenz.

Aber was hat Neurodiversität, und speziell Autismus, mit Feminismus zu tun?

Erst einmal sind FLINTA*-Autist:innen statistisch stark unterdiagnostiziert. Keine Diagnose zu haben, bedeutet kein Zugang zu Diensten und Informationen, die ihnen helfen könnten. Diese Unterdiagnostizierung hat mehrere Gründe: zum einen äußert sich Autismus in weiblich zugewiesenen Kindern oft anders und weniger auffällig als in männlich zugewiesenen. Hinzu kommen veraltete Theorien, die Autismus als „extrem männliche Störung“ verklärten. Dieses falsche Verständnis von Autismus prägt bis heute das Bild, das viele Ärzt:innen, Psychiatr:innen und Lehrer:innen haben, die deswegen weiblich gelesene Autist:innen nicht erkennen. Viele FLINTA* finden erst im Erwachsenenalter heraus, dass sie Autist:innen sind. Dabei wäre eine Diagnose gerade in den Kindheitsjahren besonders wichtig gewesen.

Die Neurodiversitäts-Bewegung hat aber auch in ihren Inhalten viele Parallelen mit dem Feminismus: eine zentrale Forderung beider Bewegungen ist die nach körperlicher Autonomie und Selbstbestimmung. Genau wie Frauen und Queers müssen neurodivergente Menschen sich immer wieder gegen Institutionen behaupten, die sie nicht für ganze Menschen halten, ihnen nicht zutrauen, selbst zu wissen was für sie am besten ist. Und wo wir gerade von Queers reden: es existiert eine deutliche, noch schlecht erforschte Korrelation zwischen Autismus und Queerness. Queere Sexualitäten und Genderidentitäten sind bei Autist:innen sechsmal so häufig wie in der Durchschnittsbevölkerung.

Also an alle neurotypische Feminist:innen: Support your Autistic siblings!